Gehaltsverhandlungen – Teil 2
Spätestens dann, wenn wir in einem Stellenangebot „bitte richten Sie Ihre Bewerbungsunterlagen unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung an XYZ“ lesen, fragen wir uns, wie wir unseren Marktwert bestimmen und wie wir daraus unsere Gehaltsvorstellung ableiten können.
Gastbeitrag von Susan J. Moldenhauer
Egal, ob als Berufseinsteigerin, Berufserfahrene, Berufsrückkehrerin oder wann immer wir uns beruflich verändern möchten: Immer dann, wenn wir unser Gehalt bzw. den Preis für unsere Leistung verhandeln müssen, geht es im Vorfeld darum, den eigenen Marktwert festzulegen, sprich: eine Standort- und damit Wertbestimmung durchzuführen. Wir müssen wissen, wo wir stehen, was wir wollen und was wir dafür verlangen können. Hierbei betrachten wir unseren bisher zurückgelegten Bildungs- und Berufsweg inklusive aller uns ausmachenden Eigenschaften, Talente und Skills. Dann führen wir eine Gehaltsrecherche unter Einbeziehung möglichst vieler Quellen durch. Wir stimmen das Ergebnis mit unserer individuellen Ausgangslage ab und leiten daraus unsere Gehaltsziele ab. Übrigens lassen sich auch bei tarifgebundenen Arbeitsverträgen die Eingruppierung in Entgeltgruppen und übertarifliche Zusagen in bestimmten Fällen verhandeln.
Unseren Marktwert bestimmen
Um herauszufinden, wie genau unser „Marktwert“ zu bestimmen ist, sollten wir uns genauer mit unserem Werdegang auseinandergesetzt haben. Wir verfügen übrigens auch als Berufseinsteigerinnen über entsprechende Erfahrungswerte (zB. Nebenjobs, Engagements in Vereinsheimen, im Ehrenamt, in Sportclubs, etc.), aus denen wir Nützliches für den (späteren) Job mitbringen.
Dazu gehört:
- unsere Ausbildung, Studium, Qualifikation
- unser Hard- und Softskillset
- unsere Erfahrungen (und das können auch Erfahrungen als Ehrenamtliche, Im Vereinsheim, im Sportclub, zB. als Trainerin oder andere Jobs im Bereich der Organisation, im Verkauf, etc. sein)
- unsere Kernkompetenzen
- unsere Werte
- unsere Bedürfnisse
- unsere Bereitschaft, die berühmte „Extrameile“ zu gehen
Vergleichsgehälter recherchieren, um den Marktwert zu bestimmen
Dazu gibt es einige gute Plattformen im Netz oder Offline, die wir nutzen können. Hierzu einfach die Suchmaschinen nach Begriffen, wie „Gehaltsvergleich“ oder „Gehaltsstatistik“ oder ähnliches durchforsten. Um mal ein paar Beispiele zu nennen:
- glassdoor.de
- arbeitsagentur.de
- jobplattformen
- Wirtschaftszeitungen
- Das Statistische Bundesamt (destatis.de) ermittelt jährlich nicht nur den „offiziellen“ Gender Pay Gap, sondern erstellt auch eine umfangreiche Statistik, die nach Bundesländern, dem Berufsstatus und vielen anderen Parametern aufbereitet ist
- Karriereberater, Personaldienstleister
- Gewerkschaften (hier hilft meist eine Mitgliedschaft, um genauere Auskünfte zu erhalten)
- Karrieremessen
- Privater Austausch mit (ehemaligen) Kolleginnen; Freunden und Bekannten
- Reden, reden, fragen: das Tabu Geld und Gehalt können wir selbst brechen, indem wir damit anfangen!
Marktwert ist abhängig von Branche, Standort und Unternehmensgröße
Wenn wir unseren Marktwert bestimmen wollen, müssen weitere Punkte, wie die Branche, der Standort und die Größe des Unternehmens berücksichtigt werden. So fällt das Gehalt als „Key Account Manager“ in der Pharmabranche und Softwareindustrie wesentlich höher aus als im Bereich Hotel und Gastronomie oder der Werbewirtschaft.
Die Gehälter, die in größeren Unternehmen, zum Beispiel international aufgestellten Konzernen, erzielt werden können, sind deutlich höher als in kleineren und mittelständischen Unternehmen oder Start-Ups. Auch die Frage, ob das Unternehmen in einem Ballungsgebiet, im Norden oder Süden Deutschlands oder im ländlichen Raum angesiedelt ist, wirkt sich auf das Gehalt aus.
Die eigene Haltung zu Geld und Gehalt
Um den eigenen Marktwert zu bestimmen ist es wichtig, zu interfragen, wie wir zum Thema „Gehalt“, und dahinter, zu „Geld“ stehen. Wir können in uns hineinhören und uns an unsere ersten Erfahrungen mit Geld erinnern. Dazu haben wir vielleicht Sätze wie „Geld ist nicht so wichtig“, „Es geht nicht nur ums Geld!“ oder „…sei fleißig, sei artig und sei nicht zu fordernd!“ im Kopf, die sich zu festen Glaubenssätzen manifestiert haben und uns unser gesamtes (Berufs-)Leben lang begleiten, sofern wir diese nicht auflösen. Wenn wir eine schlechte Ersterfahrung, und dadurch bedingt, einen negativen Glaubenssatz zu Geld im Kopf haben, wie wollen wir dann überzeugend in der Gehaltsverhandlung über Geld und Gehalt sprechen?
Haben wir zu allen Punkten recherchiert, ist entscheidend, die passende Strategie für die anstehende Verhandlung zu entwickeln. Hierzu gehört, sich ein Maximal- und Minimalziel zu setzen und am besten noch einen Alternativwert, der zB. auch Benefits, wie geldwerte Vorteile oder Gratifikationen berücksichtigt.
Die eigenen Leistungen und Qualifikationen sollten ins rechte Licht gerückt werden und gemäß Position und Aufgabe im Unternehmen sollte der Mehrwert, den wir in das Unternehmen einbringen, also das gewisse „Extra“, die Vision, die wir in unserem Wirkungsbereich verfolgen, unser Maximalziel argumentativ gut untermauern.
Konkrete Gehaltsangaben in der Bewerbung
Die Frage, ob die Nennung einer konkreten Zahl als Gehaltsvorstellung ins Anschreiben gehört und somit der Aufforderung aus der Stellenanzeige zu folgen ist, ist unter Ratgebern, Personalern und Karriereberatern umstritten. Um nicht den Eindruck zu erwecken, man habe dieses Detail in der Stellenausschreibung übersehen, kann zum Beispiel darauf hingewiesen werden, diesen Punkt gerne im persönlichen Gespräch klären zu wollen.
Ob dies zur eigenen Strategie passt, kommt auf viele verschiedene Faktoren an, auf die Unternehmenskultur genauso wie auf den Weg, über den die Bewerbung übermittelt wird und nicht zuletzt auf die eigene Persönlichkeit und den Mut, hier auch mal bewusst einen anderen Weg zu gehen und sich dadurch von anderen Mitbewerberinnen abzugrenzen.
Wer Schwierigkeiten hat, welcher Weg der richtige ist und vor allem, wie die eigenen Gehaltsziele konkret abzuleiten sind und wie eine tragende Gesprächsstrategie gemäß der eigenen Situation entwickelt wird, sollte in eine gute und individuelle Karriereberatung investieren.
In der Serie „Gehaltsverhandlungen“ möchte ich euch Schritt für Schritt die Themen näher bringen, die ich auch in meinen Coachings behandle. Ihr dürft gespannt sein.
Den ersten Teil der Gehaltsserie mit Susan J. Moldenhauer findet ihr hier.
Den dritten Teil der Gehaltsserie mit Susan J. Moldenhauer findet ihr hier.
Den vierten Teil der Gehaltsserie mit Susan J. Moldenhauer findet ihr hier.
Der Beitrag erschien zuerst im Courage-Magazin am 10.01.2020
Über die Autorin:
Susan J. Moldenhauer ist seit 1999 in der Finanzdienstleistungsbranche tätig. Ihrer langjährigen Erfahrung in den unterschiedlichsten Vertriebskanälen sowie im Recruiting, Training und in der Führung von Mitarbeitern verdankt sie ihre Kompetenz im Coaching. Als zertifizierte Karriereberaterin und (Finanz-)Coach hat sie sich auf Gehaltsverhandlungen für Frauen spezialisiert und unterstützt Frauen darin, mit mehr Mut, Motivation und Selbstbewusstsein ihren Weg zu gehen. Die Ermittlung des eigenen Marktwerts spielt in den Coachings ebenso eine Rolle wie die konkrete Vorbereitung auf den jeweiligen Verhandlungspartner und die Verhandlungssituation. Zudem arbeitet sie gezielt an der Sprechweise, Sprache und Körpersprache.